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Unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht beraten Unternehmen und Arbeitnehmer zu allen rechtlichen Fragen in Bezug auf und im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang nach § 613a BGB. Wir erläutern Ihnen – ausgerichtet auf Ihren persönlichen Beratungsbedarf – die rechtlichen Zusammenhänge auf der Grundlage der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung des EuGH und des BAG und erarbeiten gemeinsam mit Ihnen praxistaugliche, gut umsetzbare Lösungen, um das von ihnen gewünschte Ergebnis rechtssicher und zeitnah zu erreichen.

I. Europarechtliche Vorgaben

Unionsrechtliche Grundlage des Betriebsübergangs ist die RL 2001/23 EG (in Langfassung: RICHTLINIE 2001/23/EG DES RATES vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen). Die Richtlinie ist grundlegend und prägend für das richtige Verständnis des weitergehenden deutschen § 613a BGB. Die Richtlinie 2001/23 soll die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten (EuGH 6.3.2014 – C-458/12 „Amatori“). Sie schützt die Arbeitnehmer, indem sie die Wahrung ihrer Ansprüche bei einem Betriebsübergang und Inhaberwechsel dadurch sichert, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu denselben Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren. Die Richtlinie soll so weit wie möglich die Fortsetzung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber in unveränderter Form gewährleisten, um eine Verschlechterung der Lage der betroffenen ArbN allein aufgrund des Übergangs zu verhindern (EuGH 9.9.2020 – C-674/18 u.a. „TMD Friction“).

II. FAQs zum Betriebsübergang

Um sich dem komplexen, anspruchsvollen arbeitsrechtlichen Thema des Betriebsübergangs sowie den mit ihm im Zusammenhang stehenden bedeutenden Rechtsfragen und -folgen zu nähern, finden Sie nachstehend in unserer Beratungspraxis häufig von Mandanten gestellte Fragen und darauf bezogene Antworten in Kurzform. Dabei möchten wir betonen, dass ein Internetangebot eine fundierte, auf den Einzelfall bezogene fachanwaltliche Beratung nicht zu ersetzen vermag. Dies gilt in besonderer Weise im Hinblick auf § 613a BGB. Unsere Beratungspraxis und langjährige fachanwaltliche Erfahrung zeigt, dass Sie ohne Inanspruchnahme einer qualifizierten fachanwaltlichen Beratung weder die Chancen und Risiken im Zusammenhang mit § 613a BGB erkennen, noch Fehler vermeiden und auch bestehende Gestaltungsspielräume nicht rechtssicher nutzen werden.

1. Ist § 613a BGB zwingendes Recht?

Ja, § 613a BGB ist eine zwingende Schutzvorschrift, von der nur zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann. Zu Lasten des Arbeitnehmers können die Rechtsfolgen des § 613a BGB weder durch Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Erwerber noch durch Vereinbarungen zwischen Veräußerer und vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer ausgeschlossen oder modifiziert werden.

2. Was ist ein Betriebs- bzw. Betriebsteil?

Nach den vom EuGH zum Begriff der wirtschaftlichen Einheit entwickelten Vorgaben (BAG 13.8.2019 – 8 AZN 171/19; BAG 25.1.2018 – 8 AZR 309/16) ergibt sich die Identität einer wirtschaftlichen Einheit aus mehreren untrennbar zusammenhängenden Merkmalen wie dem Personal der Einheit, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (EuGH 13.6.2019 - C-664/17 “Ellinika Nafpigeia“; EuGH 20.7.2017 - C-416/16 “Piscarreta Ricardo“; EuGH 20.1.2011 - C-463/09 “CLECE“; EuGH 11.03.1997 - C-13/95 “Süzen“). Die vorstehende Aufzählung ist nicht abschließend. Es handelt sich nur um Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung, wie die Aufzählung „kennzeichnender Tatsachen“ zeigt, die für die Prüfung, ob eine wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt, u.a. zu beachten sind (EuGH 11.7.2018 - C-60/17 “Somoza Hermo und Ilunión Seguridad“). 

3. Wie sieht der 7-Punkte-Katalog des Bundesarbeitsgerichts (BAG 18.9.2014 – 8 AZR 733/13) zur Feststellung des Vorliegens des Übergangs einer „wirtschaftlichen Einheit aus, die ihre Identität wahrt?

Folgende sieben Punkte sind bezogen auf den Einzelfall und in Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung sorgfältig zu prüfen und zu bewerten:

  1. Übergang der materiellen Betriebsmittel (z.B. Grundstücke, Gebäude, Produktionsanlagen, bewegliche Güter),
  2. Übergang der immateriellen Betriebsmittel,
  3. Betriebliche Organisation (Art des Unternehmens, produzierendes Gewerbe oder Dienstleister),
  4. Grad der Ähnlichkeit der Betriebstätigkeit des neuen Inhabers mit demjenigen des bisherigen Inhabers (Fortführung),
  5. Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft (ggf. auch nur Angebot),
  6. Übergang von Kunden- und Lieferantenbeziehungen,
  7. Dauer der evtl. Betriebsunterbrechung.

4. Wie grenzt die Rechtsprechung den Betriebsübergang zur reinen Funktionsnachfolge ab?

Allein in der bloßen Fortführung einer Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) oder der bloßen Auftragsnachfolge zeigt sich kein Betriebs(teil)übergang (EuGH 20.1.2011 - C-463/09 “CLECE“; BAG 22.5.2014 – 8 AZR 1069/12). Auf die Funktions- und Auftragsnachfolge ist § 613a BGB nicht anwendbar.

5. Wie bereitet man einen Betriebsübergang umsichtig und zielgerichtet vor?

Ein (Teil-)Betriebsübergang erfordert eine gründliche, strategische Vorbereitung. Unverzichtbarer Teil dieser Vorbereitung ist eine umfassende arbeitsrechtliche Due Diligence, bei der Vertragsgrundlagen, das kollektivrechtliche Umfeld (Tarifverträge, Konzern-, Gesamt- und Betriebsvereinbarungen), die betriebliche Altersversorgung und sonstige Risiken ermittelt und bewertet werden. Es bedarf einer angemessenen Verteilung der Risiken und tragfähiger Störfallregelungen im Asset Purchase Agreement (kurz: APA). Ein weiterer Fokus sollte auf der umfassenden, verständlichen und rechtlich richtigen Unterrichtung der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer nach § 613a V BGB liegen. Eine richtige Unterrichtung erfordert eine sorgfältige Aufarbeitung des Lebenssachverhalts und des rechtlichen Umfelds bezogen auf den Einzelfall. Den Betriebsübergang „von der Stange“ gibt es nicht. Vielmehr ist das Leben oft „bunt“ und bietet eine Vielzahl von Risiken und Störfaktoren, die alle beherrscht und gemanaged werden wollen.

6. Gibt es Gestaltungsvarianten und Handlungsoptionen, um einen Betriebsübergang zu vermeiden und seine Rechtsfolgen zu „umschiffen“?

Der Arbeitgeber ist berechtigt, Rechtsgeschäfte so zu gestalten, dass § 613a BGB nicht eingreift. Zum Beispiel kann die Neuvergabe eines Dienstleistungsauftrags so geregelt werden, dass eine bloße Funktionsnachfolge vorliegt (BAG 27.9.2007 – 8 AZR 941/06). Allerdings ist die Wirtschaftlichkeit und die Umsetzbarkeit entsprechender Maßnahmen stets zu prüfen und zu bewerten. Man kann u.a. folgende Maßnahmen andenken:

  • keine Übernahme von Know-How-Trägern,
  • keine Übernahme eines gut eingespielten Teams,
  • keinen Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals,
  • keine Verwendung des übernommenen Personals in den bisherigen Funktionen,
  • die sofortige wesentliche Änderung des Organisations- und (Dienst-)Leistungskonzepts,
  • die Integration der übernommenen Dienstleistung in die beim Erwerber bestehende Organisation, ohne dass das bisherige Konzept in irgendeiner Weise genutzt wird,
  • die Übernahme von Einheiten, denen vor dem Betriebsübergang mangels hinreichender organisatorischer Verselbständigung noch nicht die Qualität eines Betriebsteils zukommt,
  • die Übernahme einzelner, nicht wesentlicher Betriebsmittel nach Stilllegung (Problem: Länge der „Schamfrist“ nach Stilllegung).

7. Welche Anforderungen stellt das BAG an die schriftliche Unterrichtung der Arbeitnehmer nach § 613a V BGB?

Die Unterrichtung nach § 613a V BGB muss rechtlich richtig und vollständig sein. Sie muss für den Arbeitnehmer als rechtlichen Laien verständlich sein (BAG 10.11.2011 – 8 AZR 430/10). Eine fehlerhafte Unterrichtung über Rechtsfragen ist im Rahmen des § 613a V BGB aber dann nicht unwirksam, wenn der Unterrichtungspflichtige die Rechtslage gewissenhaft prüft und einen vertretbaren Rechtsstandpunkt eingenommen hat (BAG 26.3.2015 – 2 AZR 783/13).
Der Zweck der Unterrichtung besteht darin, dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts nach § 613a VI BGB zu verschaffen. Auf der Grundlage der in der Unterrichtung erteilten (rechtlich und tatsächlich richtigen) Informationen soll der Arbeitnehmer über die Ausübung des Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber entscheiden können. Der Arbeitnehmer ist deshalb so zu informieren, dass er sich über den Erwerber und über die in § 613a V BGB genannten Umstände ein Bild machen kann (BAG 10.11.2011 – 8 AZR 430/10). Im Fall eines Betriebsübergangs haben Veräußerer und/oder Erwerber die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer gemäß § 613a V BGB in Textform zu unterrichten über:

  • den Zeitpunkt oder geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
  • den Grund für den Übergang,
  • die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die ArbN,
  • die hinsichtlich der ArbN in Aussicht genommenen Maßnahmen.

Was einfach klingt, muss in der Praxis sehr ernst genommen und sorgfältig einzelfallbezogen durchdacht werden. Der Achte Senat des BAG stellt im Einzelfall sehr hohe Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung, ohne die Unterrichtungspflicht abstrakt klar für den Rechtsanwender zu konturieren. Erschwerend kommt hinzu, dass mehrere zum Teil sehr komplexe Rechtsfolgen und -fragen höchstrichterlich noch nicht (abschließend) geklärt sind. Die in § 613a V BGB geregelte Unterrichtungspflicht stellt auch den geschulten Rechtsanwender (Erwerber und/oder Veräußerer) in der Praxis vor große Schwierigkeiten und erweist sich oft als rechtlicher „Stolperstein erster Güte“.

8. Was sind die Folgen einer fehlerhaften Unterrichtung?

  • kein Anlaufen der einmonatigen Widerrufsfrist, § 613a VI BGB
  • Schadensersatzpflichten ggü. dem betroffenen Arbeitnehmer

9. Kann ein fehlerhaftes Unterrichtungsschreiben korrigiert und ergänzt werden?

Nur die Unterrichtung nach § 613a V BGB setzt die Widerspruchsfrist des § 613a VI BGB in Gang. Dazu muss die Unterrichtung vollständig und richtig sein. Sie kann auch nach einem Betriebsübergang (vgl. BT-Drucks. 14/7760 S. 20) vervollständigt werden, ist aber in der gesetzlich vorgeschriebenen Form durchzuführen und im Falle einer Vervollständigung aus Gründen der Rechtsklarheit auch als solche zu bezeichnen, damit die Arbeitnehmer vom nunmehrigen Beginn der Widerspruchsfrist Kenntnis erlangen. Der gesetzlichen Unterrichtungspflicht nach § 613a V BGB wird nicht dadurch genügt, dass der Arbeitnehmer „irgendwann und irgendwie“, sei es durch den bisherigen Arbeitgeber, sei es durch den neuen Inhaber oder sei es von dritter Seite Kenntnis von Tatsachen erhält, über die nach den Vorgaben des Gesetzgebers gemäß § 613a V BGB zu informieren ist (BAG 23.7.2009 – 8 AZR 538/08).

10. Wie ist das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers nach § 613a VI BGB ausgestaltet?

Das Widerspruchsrecht nach § 613a VI BGB trägt den grundrechtlichen Wertungen des Art. 12 I GG Rechnung, der dem Arbeitnehmer die freie Wahl des Arbeitsplatzes und damit auch die freie Wahl des Vertragspartners garantiert (BVerfG 25.1.2011 – 1 BvR 1741/09). Das Widerspruchsrecht ist ein Gestaltungsrecht, dessen wirksame Ausübung bewirkt, dass die Rechtsfolgen des § 613a I 1 BGB nicht eintreten, der Arbeitnehmer also den alten Vertragspartner behält (BAG 28.2.2019 – 8 AZR 201/18; BAG 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, sog. Rechtsfolgenverweigerungsrecht).

11. Wie lange kann der Arbeitnehmer widersprechen?

Nach der ständigen Rechtsprechung des Achten Senats wird die einmonatige Widerspruchsfrist nach § 613a VI 1 BGB nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung in Lauf gesetzt (BAG 14.11.2013 – 8 AZR 824/12; BAG 22.1.2009 – 8 AZR 808/07). Weder durch eine unterbliebene noch durch eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung wird die Monatsfrist ausgelöst. Darlegungs- und beweispflichtig für den Zugang der Unterrichtung ist der Arbeitgeber, d.h. der Veräußerer und/oder der Erwerber (LAG Rheinland-Pfalz 20.5.2020 – 7 Sa 306/19). Dies folgt aus dem Wortlaut des § 613a VI BGB, wonach der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats „nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5“ widersprechen kann. Damit setzt § 613a VI 1 BGB eine den Anforderungen des § 613a V BGB entsprechende Unterrichtung voraus.

12. Wann verwirkt das Widerspruchsrecht?

Das Widerspruchsrecht kann wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dient dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG 24.8.2017 – 8 AZR 265/16).

Wurde der Arbeitnehmer zwar nicht ordnungsgemäß i.S. von § 613a V BGB unterrichtet, aber im Rahmen einer Unterrichtung nach § 613a V BGB von dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber über den mit dem Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses unter Mitteilung des Zeitpunkts oder des geplanten Zeitpunkts sowie des Gegenstands des Betriebsübergangs und des Betriebsübernehmers (grundlegende Informationen) in Textform in Kenntnis gesetzt und über sein Widerspruchsrecht nach § 613a VI BGB belehrt, führt eine widerspruchslose Weiterarbeit bei dem neuen Inhaber über einen Zeitraum von sieben Jahren regelmäßig zur Verwirkung des Widerspruchsrechts.

13. Kann der Arbeitnehmer auf sein Widerspruchsrecht wirksam verzichten?

Bei der Auslegung einer Erklärung als Verzicht des Arbeitnehmers auf sein Widerspruchsrecht nach § 613a VI BGB als solches oder als lediglich zeitweiliger Verzicht auf dessen Ausübung ist die hohe Bedeutung des Widerspruchsrechts für den Arbeitnehmer zu beachten. Ein Verzicht muss daher eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden (BAG 28.2.2019 – 8 AZR 201/18). Soll ein Widerspruch gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses beim Betriebs(teil-)übergang nach einer vom Arbeitnehmer erbetenen Einverständniserklärung ausgeschlossen sein, so muss der Arbeitgeber auf diese Rechtsfolge in der erforderlichen Deutlichkeit hinweisen. Wird mit einer Einverständniserklärung des Arbeitnehmers lediglich dessen Bereitschaft zur Weiterarbeit ab dem Zeitpunkt des Betriebs(teil-)übergangs beim Betriebserwerber erklärt und liegt darin allenfalls ein zeitweiliger Verzicht auf die Ausübung des Widerspruchsrechts, stellt dies keine Disposition über das Arbeitsverhältnis als solches dar.

14. Was sind die Folgen eines Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses?

  • Es findet kein Übergang des Arbeitsverhältnisses statt.
  • Der Veräußerer bleibt Vertragsarbeitgeber. Es besteht nur ein vorübergehendes faktisches Arbeitsverhältnis zum Erwerber.
  • Es ist kein Widerruf des Widerspruchs durch den Arbeitnehmer möglich, da es sich um ein einseitiges Gestaltungsrecht bzw. Rechtsfolgenverweigerungsrecht handelt. Deshalb will ein Widerspruch mit Blick auf die existentiellen Folgen und Risiken gut überlegt sein.
  • In der Regel besteht bei einem Widerspruch eine Kündigungsmöglichkeit des Veräußerers, weil der Beschäftigungsbedarf dauerhaft ersatzlos entfallen ist.
  • Ggf. hat der Arbeitnehmer keine bzw. verringerte Sozialplanansprüche.
  • Ggf. wird gegen den widersprechenden Arbeitnehmer von der zuständigen Bundesagentur für Arbeit eine Sperrzeit beim Bezug von ALG I verhängt (sozialversicherungsrechtlicher Nachteil).

15. Führt § 613a IV BGB zur Unkündbarkeit des Arbeitnehmers?

Nach § 613a IV BGB gilt: Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt. § 613a IV BGB stellt ein eigenes Kündigungsverbot im Sinne von § 13 III KSchG i.V. mit § 134 BGB dar. Das Verbot findet deshalb auch dann Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht länger als sechs Monate (§ 1 I KSchG, Wartezeit) bestanden hat oder wenn es sich um einen Kleinbetrieb im Sinne des § 23 KSchG handelt. Durch das besondere Kündigungsverbot soll eine „negative Personalauslese“ frei nach Wunsch des Betriebserwerbers ausgeschlossen werden.

Während § 613a IV 1 BGB ein Verbot von Kündigungen wegen des Betriebsübergangs normiert, bestimmt § 613a IV 2 BGB, dass eine Kündigung aus anderen Gründen möglich bleibt. Der Arbeitnehmer ist also nicht vor Risiken geschützt, die sich jederzeit unabhängig von einem Betriebsübergang realisieren können. Der Arbeitgeber, d.h. der Betriebsveräußerer und der Betriebserwerber, können eine wirksame Kündigung aussprechen, die auf personen- oder verhaltensbedingte Gründe gestützt wird, auch wenn die Kündigung in zeitlicher Nähe des Betriebsübergangs erfolgt. Ebenso kann eine Kündigung auf betriebsbedingte Gründe gestützt werden, solange der Betriebsübergang nicht der tragende Grund, sondern nur der äußere Anlass für die Kündigung ist (BAG 27.10.2005 – 8 AZR 568/04; Stichwort: Kündigung aufgrund Erwerberkonzepts, BAG 24.9.2015 – 2 AZR 562/14; BAG 20.3.2003 – 8 AZR 97/02).

16. Transformation und Ablösung kollektivrechtlicher Regelungen

Besonders rechtlich komplex ist die Transformation (§ 613 I 2) und Ablösung kollektivrechtlicher Regelungen (§ 613a I 3 BGB). Beide Aspekte sind bei einem Betriebsübergang von überragender Bedeutung, da sie die Arbeitsbedingungen der übernommenen Arbeitnehmer und damit den wirtschaftlichen Erfolg der Transaktion maßgeblich bestimmen. Auch die Ausgestaltung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmen ist mit Blick auf die Anspruchskonkurrenz zwischen kollektivrechtlicher und individualvertraglicher Grundlage sorgfältig zu prüfen. An dieser Stelle gilt die klare Empfehlung, qualifizierten Rechtsrat einzuholen, um unliebsame und teure Überraschungen nach Vollzug des Betriebsübergangs bestmöglich auszuschließen.

Schulungsangebot

Unsere Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht schulen auf individueller Grundlage und Absprache Rechtsanwaltskollegen, Führungskräfte, Betriebsräte, u.a. zu arbeitsrechtlichen und insbesondere kollektivrechtlichen Fragestellungen und Sachthemen.

Beck Akademie Webinar § 613a BGB

Unsere Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht schulen auch regelmäßig bei der BECK Akademie. So bietet Dr. Holthausen in Zusammenarbeit mit der BECK Akademie in den Jahren 2021 und 2022 derzeit 3 Seminartermine zum Betriebsübergang nach § 613a BGB als Live-Webinar an.

Die Termine finden Sie nachstehend. beck seminare betriebsuebergang

Hier finden Sie den Link zu unseren Seminaren/Live-Webinaren:

Betriebsübergang nach § 613a BGB (auch als LIVE-WEBINAR) - BeckAkademie Seminare (beck-seminare.de)