Hohe Bedeutung befristeter Arbeitsverträge, statistische Angaben
Die Befristung von Arbeitsverträgen hat in Deutschland eine sehr hohe wirtschaftliche und arbeitsrechtliche Bedeutung. Etwa 8 % aller Arbeitnehmer(innen) ab dem Alter 25 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2015 befristet beschäftigt (Frauen 9 %, Männer 8 %). 58 % der befristet Beschäftigten besaßen 2015 einen Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr. Bei 20 % der Befragten betrug die Befristung ein bis unter zwei Jahre, bei weiteren 11 % zwei bis unter drei Jahre. Weitere 11 % gaben an, einen Vertrag mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren zu besitzen. Rund 3,15 Mio. oder 8,3 % der Beschäftigten hatten im Jahr 2017 einen befristeten Arbeitsvertrag, die Hälfte davon sachgrundlos.
Eingrenzung des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes
Die Befristung grenzt den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz ein und sorgt aus Sicht der Unternehmen für eine bessere Planbarkeit unter anderem eines vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs. Aus Sicht der Arbeitgeber lassen sich oftmals unwägbare und teure Prozessrisiken, die mit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses einhergehen, durch eine wirksame, gut dokumentierte schriftliche Befristung rechtssicher beherrschen. Deshalb steht die Befristung aus Sicht der Arbeitgeber und Unternehmen für Flexibilität, Rechtssicherheit und Planbarkeit, die sonst im deutschen Arbeitsrecht vermisst wird.
Befristungsrecht – schwer überschaubare Kasuistik, hohe Kontrolldichte
Das Recht der Befristung von Arbeitsverträgen weist eine umfangreiche, schwer zu überschauende und zusätzlich steitig im Fluss befindliche Kasuistik auf. Durch diese einzelfallbezogene Beurteilung wird die mit der Befristung angestrebte Rechtssicherheit in der Praxis aufgrund vieler zu berücksichtigender Einzelfallaspekte und vieler Stolpersteine oftmals konterkariert. Die Kontrolldichte und -schärfe im Befristungsrecht stellen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und ihre Fachanwälte für Arbeitsrecht deshalb immer wieder aufs Neue auf die Probe, wie letztlich auch die hohe Zahl dokumentierter arbeitsgerichtlicher Rechtsstreite in I., II. und auch III. Instanz vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt zeigt. Befristungsrecht ist stark streitbehaftet. Hat der Arbeitgeber bei der Ausgestaltung und Dokumentation des befristeten Arbeitsvertrages nicht sauber im Einklang mit den gesetzlichen und richterlichen Vorgaben gearbeitet, ergeben sich für ihn ggf. hohe Risiken und entsprechend gute Chancen für den Arbeitnehmer auf eine Vertragsfortsetzung im Fall einer unwirksamen Befristung.
Das Befristungsrecht ist in hohem Maß „politisches Arbeitsrecht“ und deshalb einem steten Wandel und Veränderung ausgesetzt. So haben sich CDU, CSU und SPD in ihrem jüngsten Koalitionsvertrag der Großen Koalition auf weitreichende Änderungen im Befristungsrecht geeinigt, welche die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung im Zuge ihrer legislativen Umsetzung zukünftig voraussichtlich stark einschränken werden. Ausgehend von den oben genannten Zahlen dürften von den Rechtsänderungen etwa 1,5 Mio. Arbeitsverhältnisse in Deutschland betroffen sein, was die Bedeutung des Befristungsrechts und den hieraus resultierenden Beratungs- und Schulungsbedarf im Arbeitsrecht einmal mehr unterstreicht.
Befristung und Schriftform
Im Recht der Befristung gilt der allgemeine Lebensgrundsatz: „Nur wer schreibt, der bleibt!“ in besonderem Maße. Wird das Arbeitsverhältnis von den Parteien ohne wirksame schriftliche Befristungsgrundlage vollzogen, gilt der „befristete“ Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von dem Arbeitgeber frühestens zum vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden, sofern nicht nach § 15 III TzBfG die ordentliche Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt möglich ist. Ist die Befristung nur wegen des Mangels der Schriftform unwirksam, kann der Arbeitsvertrag auch vor dem vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden (§ 16 TzBfG).
Rechtstipp – Kündigungsmöglichkeit im befristeten Arbeitsvertrag regeln, Musterformulierung:
Um sich die Option einer ordentlichen Kündigung zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsprechend den Vorgaben des KSchG und des sonstigen Kündigungsschutzrechts nach § 15 III TzBfG offen zu halten, sollte dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag niedergeschrieben werden. Üblich ist dabei eine Formulierung wie: „Das Arbeitsverhältnis kann von jeder der Parteien unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist schriftlich gemäß § 623 BGB gekündigt werden.“
Nach § 14 IV TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zur ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das erfordert nach § 126 I BGB eine eigenhändig vom Aussteller durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnete Urkunde. Bei einem Vertrag muss nach § 126 II 1 BGB die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 II 2 BGB), vgl. BAG 04.11.2015 – 7 AZR 933/13; BAG 20.08.2014 – 7 AZR 924/12, Rn. 23; BAG 25.03.2009 – 7 AZR 59/08, Rn. 29. E-Mails und Telefaxe sind ungeeignet die Schriftform zu wahren.
Rechtstipp – Fehlende Schriftform bei Aufnahme der Arbeit:
Die Schriftform bei Befristungen wird in der Praxis getreu dem Motto „Jeder macht (immer wieder gerne) Fehler!“ häufig missachtet. Dem liegt folgende, als „klassisch“ zu beschreibende Fehlerkonstellation zugrunde: Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandeln über den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages. Der Arbeitgeber übersendet dem Arbeitnehmer das von ihm unterzeichnete Vertragsangebot zweifach mit der Bitte um gegengezeichnete Rücksendung eines Exemplars. Der Arbeitnehmer nimmt seine Tätigkeit auf. Er unterschreibt den „befristeten“ Arbeitsvertrag jedoch erst einige Tage nach der Aufnahme der Arbeit und übergibt ihn verspätet dem Arbeitgeber. Mehr oder mindert verwundert stellen die Parteien bei bzw. nach Ablauf der „Befristung“ fest, dass sie sich entgegen den ursprünglichen Zielvorstellungen und Absprachen in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befinden. Die Lehre aus dem Vorstehenden ist, dass Arbeitgeber vor der Aufnahme der Tätigkeit durch den Arbeitnehmer genau darauf achten sollten, dass die Vertragslage und -dokumentation sich entsprechend dem Gewollten in der Personalakte wiederfinden. Ein wirksamer, von beiden Seiten unterschriebener, dem Arbeitgeber zugegangener Arbeitsvertrag im Original ist vor der Aufnahme der Tätigkeit unerlässlich! Das Risiko für den Arbeitgeber belegt einmal mehr die Rechtsprechung des Siebten Senats, wenn dieser feststellt: Die Wahrung der in § 14 IV TzBfG bestimmten Schriftform erfordert den Zugang der unterzeichneten Befristungsabrede bei dem Erklärungsempfänger vor Vertragsbeginn. Der Mangel der Schriftform kann nicht dadurch geheilt werden, dass dem Arbeitnehmer nach Arbeitsaufnahme die unterzeichnete Vertragsurkunde des Arbeitgebers zugeht. Legt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Vertragsurkunde zur Unterzeichnung vor, die er selbst noch nicht unterzeichnet hat, so macht er den Vertragsschluss nicht von der Einhaltung der Schriftform abhängig. Auch ein entsprechender mündlicher Vorbehalt, ist in diesem Fall unbeachtlich, vgl. BAG 14.12.2016 – 7 AZR 797/14 sowie die teilweisen Parallelentscheidungen 7 AZR 142/15, 7 AZR 717/14 und 7 AZR 756/14; Schröder, „Altersgrenzen und Befristungsrecht – eine explosive Mischung“, ArbRAktuell 2018, 91.
Arten der Befristung, Begrifflichkeiten
Es sind verschiedene Arten der Befristung von Arbeitsverhältnissen zu unterscheiden.
Zeitbefristung und Zweckbefristung von Arbeitsverträgen
Ein zeitbefristeter bzw. -bezogener Vertrag endet nach § 15 I TzBfG zu dem vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt, ohne dass er einer Kündigung bedarf. Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet gemäß § 15 II TzBfG mit dem Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.
Beispiele:
- Zeitbefristung (bestimmter Zeitraum = 6 Monate, 1 Jahr oder bestimmter Endzeitpunkt = bis zum 31.12.2017)
- Zweckbefristung (z.B. Urlaubs-, Schwangerschafts- oder Krankheitsvertretung, Prozessbeschäftigung)
Soll eine Zweckbefristung vereinbart werden, muss der Zweck, mit dessen Erreichung das Arbeitsverhältnis enden soll, so genau bezeichnet sein, dass hieraus das Ereignis, dessen Eintritt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll, zweifelsfrei feststellbar ist. Bei einer Zweckbefristung muss zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit hinreichender Sicherheit deutlich werden, dass der Zweck tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt erreicht werden wird, wenngleich noch nicht feststeht, wann dies sein wird. Für die erforderliche Prognose reicht es nicht aus, dass der in den Arbeitsvertrag aufgenommene Vertragszweck nur möglicherweise oder wahrscheinlich erreicht wird, sondern es muss im Rahmen des Vorhersehbaren sicher angenommen werden können, dass er eintreten wird. An die Zuverlässigkeit der Prognose sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je weiter die vereinbarte Zweckerreichung in der Zukunft liegt.
Sachgrundbefristung und sachgrundlose Befristung
Im Recht der Befristung von Arbeitsverträgen ist grundlegend zwischen der Befristung mit Sachgrund (§ 14 I TzBfG) und der sachgrundlosen Befristung (§ 14 II TzBfG) zu unterscheiden. Nach § 14 I 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Dabei benennt das Gesetz in § 14 I 2 Nr. 1 – 8 TzBfG einzelne Sachgründe, ohne dass es sich hierbei um eine abschließende Aufzählung handelt. Sachgründe (§ 14 I TzBfG), die die Befristung eines Arbeitsvertrages bzw. des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können, sind u.a.:
- ein vorübergehender Arbeitskräftebedarf,
- die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers,
- die Eigenart der Arbeitsleistung,
- die Erprobung des Arbeitnehmers,
- die haushaltsrechtliche Befristung einer Stelle,
- die Befristung beruht auf einem gerichtlichen Vergleich.
Rechtstipp – Projektbefristung
Bei befristeten Arbeitsverträgen, die mit einer Projektbefristung und einem damit im Zusammenhang stehenden vorübergehenden Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers begründet werden, stellt sich bei einer tiefergehenden Prüfung oft heraus, dass der im Arbeitsvertrag angegebene Befristungsgrund tatsächlich nicht gegeben ist. Bei der im Rahmen eines Projekts durchzuführenden Aufgabe muss es sich im Fall einer wirksamen Sachgrundbefristung um eine abgrenzbare Zusatzaufgabe handeln, die sich von den üblichen Aufgaben unterscheidet. Es ist in der Praxis aber immer wieder zu beobachten, dass Arbeitnehmer für Projekte und Aufgaben „befristet“ angestellt werden, die bei objektiver Betrachtung Daueraufgaben sind. In diesem Fall liegt mangels vorgeschobener, nicht abgrenzbarer Projektaufgaben eine unwirksame Sachgrundbefristung des Arbeitsvertrages vor. Zwischen den Parteien besteht ein Dauerarbeitsverhältnis, dass im Klageweg vom Arbeitnehmer eingefordert werden kann. Übernimmt zum Beispiel ein Bauunternehmer den Bauauftrag für ein Gebäude und will nur für diesen Auftrag Arbeiter bis zu dessen Fertigstellung einstellen, ist dies kein die Befristung tragender Sachgrund, da die Ausführung der Bauarbeiten zu den Daueraufgaben im Rahmen des Betriebszwecks (Bauunternehmen) gehört, vgl. BAG 07.11.2007 – 7 AZR 484/06 „Rosetta-Comissioning“.
Die Grundregel zur sachgrundlosen Befristung findet sich in § 14 II TzBfG: Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach § 14 II 1 TzBfG ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (sog. Vorbeschäftigungsverbot).
Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von § 14 II 1 TzBfG festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
Es existieren Ausnahmevorschriften für Existenzgründer und die Befristung älterer Arbeitnehmer. Diese Bestimmungen sehen kurz skizziert wie folgt aus:
Existenzgründer, § 14 IIa TzBfG: In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen.
Sachgrundlose Befristung älterer Arbeitnehmer, § 14 III TzBfG: Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 I Nr. 1 SGB III gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder III teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.
Kettenbefristungen, Rechtsmissbrauch
Es ist ein beharrlich auftretender Irrtum, Arbeitgeber dürften Arbeitnehmer und ihre Arbeitsverhältnisse nur höchstens zwei Jahre lang befristen. Für die Zahl der Verlängerungen und die Dauer der Befristung gibt es vom Grundsatz her keine starre Begrenzung, wenn für die Befristung ein Sachgrund vorliegt. Auch auf einen ohne Sachgrund befristeten Arbeitsvertrag darf unter Beachtung der Zwei-Jahres-Grenze des § 14 II TzBfG ein mit Sachgrund wirksam befristeter Arbeitsvertrag folgen.
Die Gerichte für Arbeitsrecht dürfen sich bei der Befristungskontrolle jedoch nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen, vgl. BAG 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, Rn. 23 unter Hinweis auf EuGH 21.09.2016 – C-614/15 – [Popescu], Rn. 44; EuGH 14.09.2016 – C-16/15 – [Pérez López], Rn. 31; EuGH 26.11.2014 – C-22/13 u.a. – [Mascolo], Rn. 77; EuGH 03.07.2014 – C-362/13 u.a. – [Fiamingo u.a.], Rn. 62; EuGH 26.01.2012 – C-586/10 – [Kücük], Rn. 40).
Die dazu gebotene Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen, vgl. BAG 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, Rn. 23; BAG 07.10.2015 – 7 AZR 944/13, Rn. 14; BAG 29.04.2015 – 7 AZR 310/13, Rn. 24; BAG 12.11.2014 – 7 AZR 891/12, Rn. 27; BAG 18.07.2012 – 7 AZR 443/09, Rn. 38; vgl. auch vom Stein, NJW 2015, 369. Besteht ein Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 I TzBfG, ist eine umfassende Kontrolle nach den Grundsätzen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) in der Regel geboten, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht Jahre überschreitet oder mehr als zwölf Verlängerungen des befristeten Arbeitsvertrags vereinbart wurden oder wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses sechs Jahre überschreitet und mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden. Unter diesen Voraussetzungen hängt es von weiteren, zunächst vom Kläger vorzutragenden Umständen ab, ob ein Missbrauch der Befristungsmöglichkeit anzunehmen ist, vgl. BAG 21.02.2018 – 7 AZR 696/16; BAG 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, Rn. 27. Von einem indizierten Rechtsmissbrauch, das heißt von einem von dem Arbeitgeber zu widerlegenden Gestaltungsmissbrauch = „Ampel rot“, ist in der Regel auszugehen, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zehn Jahre überschreitet oder mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder wenn mehr als zwölf Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als acht Jahren vorliegen. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften, BAG 12.04.2017 – 7 AZR 436/15, BAG 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, Rn. 28.
Rechtstipp – Rechtsmissbrauch, Ampel-System (grün, gelb, rot)
Am besten verdeutlicht man sich das Bewertungssystem des Siebten Senats zum Vorliegen eines Gestaltungs- und Rechtsmissbrauchs bei der sachgrundgetragenen Befristung wie folgt:
grün = < bzw. = 8 Jahre, nicht mehr als zwölf Mal verlängert oder < bzw. = 6 Jahre, nicht mehr als neun Mal verlängert, bei Vorliegen und Nachweis eines Sachgrundes bestehen keine Bedenken gegen die Befristung.
gelb = Eine Befristung oberhalb der grünen Befristungsgrenzen ist kritisch zu werten. Aber der Arbeitnehmer muss den Missbrauch im Arbeitsgerichtsprozess bzw. Entfristungsprozess darlegen und beweisen.
rot = Bei Befristungen, die in Gesamtdauer 10 Jahre übersteigen oder bei denen mehr als 15 Verlängerungen vorliegen oder bei Befristungen von mehr als acht Jahren und bei denen mehr als zwölf Verlängerungen wird der Missbrauch des Befristungsrechts vermutet (indizierter Rechtsmissbrauch). Im Fall eines indizierten Rechtsmissbrauchs hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs bzw. die Vermutung durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften, vgl. BAG 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, Rn. 28.
Sonderregelungen für die Befristung von Arbeitsverträgen mit deutlich ausgeweiteten Befristungsmöglichkeiten gelten in Universitäten und Forschungseinrichtungen und im Bereich der Medizin.
Befristungskontrollklage – 3-Wochen-Klagefrist
Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist (§ 17 1 TzBfG). Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer Befristung ist gemäß § 16 1 HS 1 TzBfG, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Betroffene Arbeitnehmer sollten sich möglichst frühzeitig vor Auslaufen der Befristung bei ihrem Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht informieren, um nicht unnötig und unvorbereitet unter Zeitdruck zu geraten. Das gilt insbesondere in Bezug auf die Frist des § 17 TzBfG zur Erhebung einer Entfristungskontrollklage.
Im Fall einer Zweckbefristung nach § 15 II TzBfG ist eine Befristungskontrollklage erst statthaft, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gemäß § 15 II TzBfG schriftlich darüber unterrichtet, wann der Zweck der Befristung erreicht ist. Anders als bei kalendermäßig befristeten Arbeitsverhältnissen, bei denen bereits vor Ablauf der Vertragslaufzeit nach § 17 1 TzBfG Klage zulässig erhoben werden kann, ist vor einer schriftlichen Unterrichtung über die Zweckerreichung kein Raum für eine Befristungskontrollklage.
Nach dem Rechtsverständnis des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts ist eine Feststellungsklage des Arbeitgebers, welche die Wirksamkeit einer Befristung oder – im Fall einer Zweckbefristung – den Streit über den Eintritt einer Zweckerreichung oder dessen Zeitpunkt klären soll, unzulässig. Zur Klärung dieser Fragen sieht § 17 1 TzBfG die Befristungskontrollklage vor, die ausschließlich für den Arbeitnehmer eröffnet ist. Für eine allgemeine Feststellungsklage des Arbeitgebers nach § 256 I ZPO ist daneben kein Raum.
Rechtstipp – Erhebung Befristungskontrollklage
Angesichts der formalen Anforderungen und Stolpersteine bei Erhebung einer Befristungskontrollklage sollte bei Erstellung der Klageschrift genau darauf geachtet und bereits mit dem Klageantrag unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden, welches Rechtsschutzbegehren der Arbeitnehmer mit seiner Klage verfolgt. Die Einhaltung der Klagefrist stellt nicht zuletzt mit Blick auf die Haftung einen zentralen Bestandteil der anwaltlichen Dienstleistung dar, dessen Wahrung nicht von der schwer vorhersagbaren und damit ungewissen Auslegung des erkennenden Arbeitsgerichts abhängig sein sollte – vgl. zum Risiko BAG 16.04.2003 – 7 AZR 119/02, Rn 15 f. Insoweit gilt im Befristungsrecht insbesondere der Rat einen erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht mit der Vertretung seiner Rechte zu beauftragen.
Befristung von Arbeitsverträgen und Bezug von Arbeitslosengeld
Falls der Arbeitnehmer drei Monate vor dem Ende seines befristeten Arbeitsverhältnisses noch über keine Anschlussbeschäftigung verfügt, sollte er sich unbedingt vorsorglich zur Vermeidung von Nachteilen bei der für ihn zuständigen Agentur für Arbeit (Wohnort) arbeitssuchend melden. Anderenfalls muss er das Risiko einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld tragen. Auf jeden Fall sollte der Arbeitnehmer in den letzten drei Monaten der Beschäftigung auch mit der Personalabteilung klären, ob nicht die Fortsetzung Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Befristung hinaus möglich ist (weitere Befristung oder Beschäftigung in einem unbefristeten Dauerarbeitsverhältnis).
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Die vorstehenden Ausführungen und Hinweise geben nur einen ersten Einblick in das Recht der Befristung von Arbeitsverträgen und die in diesem Rechtsgebiet auftretenden prozessualen und materiell-rechtlichen Fragestellungen und Probleme.
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