Geklagt hatte ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens, der für seine Tätigkeit nach China reisen musste. Pro Reisetag wurden ihm acht Stunden Arbeitszeit angerechnet. Doch der Mitarbeiter verlangte mehr – er benötigte für die Hin- und Rückreise von seiner Wohnung nach China vier Tage! In der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts heißt es, dass bei Reisen ins Ausland „für Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeit zu vergüten“ sind. Heißt dies wirklich, dass Arbeitgeber grundsätzlich jede einzelne Stunde einer Dienstreise bezahlen müssen – egal wohin?
Differenzierung: Reisezeiten während oder außerhalb der regulären Arbeitszeit
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterscheidet man bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung wie folgt: Reisetätigkeiten innerhalb der regulären Arbeitszeit sind zu vergüten. Eine Pflicht zur Vergütung gilt auch dann, wenn die Dienstreise erforderlich ist, damit der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht überhaupt erfüllen kann, wie es z.B. bei Außendienstmitarbeitern der Fall ist (vgl. BAG 25.04.2018 – 5 AZR 424/17). Hier ist die Wegezeit, die am Wohnort des Arbeitnehmers beginnt, aber grundsätzlich keine Arbeitszeit darstellt, ausnahmsweise ein Bestandteil der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, so dass sie wie die eigentliche Tätigkeit zu vergüten ist.
Ebenso trifft den Arbeitgeber eine Vergütungspflicht, wenn er die Dienstreise durch Ausübung seines Direktionsrechts anordnet. Durch die Anordnung wird die Dienstreise zur geschuldeten Arbeitsleistung. Dasselbe gilt für den Fall, dass der Arbeitgeber Weisungen bezüglich der Ausführungen der Dienstreise erteilt, bspw. indem er dem Arbeitnehmer vorschreibt, mit dem Auto zu fahren oder während einer Zug- oder Flugreise zu arbeiten.
Bei außerhalb der regulären Arbeitszeit liegenden Reisezeiten muss auf § 612 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden. Hiernach sind die betreffenden Reisetätigkeiten nur zu vergüten, wenn eine Vergütung den Umständen nach zu erwarten ist, was wiederum anhand des Einzelfalls zu beurteilen ist. Es fließt etwa in die Bewertung mit ein, ob der der Arbeitnehmer dem Interesse des Arbeitgebers dienende und belastende Tätigkeiten erbringt oder die Reisezeit zur freien Verfügung hat. Angesichts der offenen Gesetzesformulierung bestehen insoweit folglich erhebliche Unsicherheiten. Auch bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 17.10.2018 hierzu überhaupt eine klare Aussage treffen wird, da in diesem Fall eine tarifvertragliche Regelung genauere Voraussetzungen vorsah.
Um Unklarheiten vorzubeugen, bietet es sich an, die Frage der Vergütung von Reisezeiten individual- oder kollektivrechtlich zu regeln. Sollten diesbezügliche Regelungen in Arbeitsverträgen (meist in Gestalt sogenannter Allgemeiner Geschäftsbedingungen) vereinbart werden, ist insbesondere darauf zu achten, dass keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers erfolgt, die Regelung dem sogenannten Transparenzgebot genügt, der gesetzliche Mindestlohnes – auch unter Berücksichtigung von Reisezeiten – nicht unterschritten wird und schließlich die vergütungsrechtlichen Aspekte stets von den arbeitsschutzrechtlichen Aspekten nach dem Arbeitszeitgesetz zu trennen sind. Allein der Umstand, dass Reisezeit zu vergüten sind, bedeutet nicht deren zwangsläufige Zulässigkeit nach dem Arbeitszeitgesetz. Die danach erforderlichen Pausen und Ruhezeiten sowie Höchstarbeitszeiten sind folglich insbesondere bei Dienstreisen zu beachten.
Rechtsanwältin Dr. Kirstin Maaß, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Köln