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Insbesondere in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs stehen die Führungsebenen und Unternehmenslenker unter Kosten- und Handlungsdruck. Die Prüfung der bestehenden Strukturen sowie Effizienz- und Kostensparprogrammen führen immer wieder zu einem mehr oder minder weitreichenden Personalabbau. Dabei lautet die „überraschende Erkenntnis“ der Konzern- bzw. Unternehmensleitung im Zuge der Sparprogramme oft, man habe zu viele Führungskräfte an Bord und plane deshalb umfangreiche Kündigungen und Anpassungen im Management.

Durch die Presse belegte Beispiele zur „Straffung der Management-Strukturen“ finden sich bei der Commerzbank, vgl. Gastkommentar Christoph Abeln „Wie die Commerzbank Führungskräfte aus dem Job drängt“, Manager Magazin 09.10.17, und Audi, vgl. „Audi verschärft Sparprogramm und will Stellen streichen“, Manager Magazin 24.10.19 und „Morgendämmerung bei Audi“, Manager Magazin 19.02.18. Das Ausmaß des Kahlschlags auf den Führungsebenen wird deutlich, wenn der neue Audi-Chef Bram Schot im Zuge der weitreichenden Umbaupläne ankündigt „Eine Ebene – also rund zehn Prozent der Leitung – werde man rausnehmen können.“, dpa-Meldung, Christoph Schmidt 20.02.19, 20:25 Uhr und Handelsblatt 20.02.19, 18:36 Uhr mit Interview Bram Schot.

Auch Assessmentcenter und Leistungstests sind beliebte Instrumente modernen Personalmanagements, wenn es gilt, Führungskräfte zu mobilisieren und sich von als wenig kompetent identifizierten Mitarbeitern zu trennen. So berichtet SPIEGEL ONLINE am 08.03.19, 17:57 Uhr unter dem Titel „VW schickt seine Manager zu Leistungstests“ über den Volkswagen Konzern, der Hunderte hochrangiger Führungskräfte von einer Beratungsfirma im Rahmen von Assessmentcentern bewerten lässt. Während das Unternehmen die Personalmaßnahme als Teil einer systematischen Nachfolgeplanung und gezielten Personalentwicklung darstellt, empfinden die betroffenen Führungskräfte laut SPIEGEL ONLINE die Maßnahme als gezielten Auswahl- und Aussortierungsprozess. In Anlehnung an das Märchen Aschenputtel der Gebrüder Grimm kommt einem schnell das Sprichwort in den Kopf: „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“. Auch die im Assessmentcenter beurteilten dehnbaren und prognostischen Qualifikationen wie Führungsstärke (englisch: leadership mindset), individuelle Motivation und Leistung/Potential hinterlassen oft mehr Fragen als Antworten sowie naheliegende Bedenken. Da nützt es letztlich auch wenig, wenn die Teilnahme an der Maßnahme als freiwillig deklariert wird, vgl. SPIEGEL ONLINE 08.03.19, 17:57 Uhr. Denn wer als Führungskraft nicht „freiwillig mitmacht“, setzt die Gunst der Führung aufs Spiel, womit der berufliche Aufstieg Geschichte sein dürfte.

Insgesamt ist in der Beratungspraxis allgemein der Trend zu beobachten, dass die Gangart gegenüber Führungskräften härter wird. Auch wenn das deutsche Arbeitsrecht ein hohes Schutzniveau sichert, versuchen Unternehmen immer wieder, mit kreativen Ansätzen unliebsame Führungskräfte auszutauschen. In der Regel lösen Aspekte, wie ein Nachlassen der Leistung, fehlende Motivation, fehlende Anpassungsfähigkeit, Überforderung, hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten oder fehlende Akzeptanz- und Führungsprobleme standardisierte Personalprozesse aus, die auf eine zeitnahe Trennung von dem Arbeitnehmer ausgerichtet sind, vgl. COMPUTERWOCHE vom 27.12.13 „Im Visier der Chefs“.

B. Die Entleitung - Begriffsbestimmung

Ein Blick in die arbeitsrechtliche Trickkiste und die sie begleitende Fachliteratur führt zu dem „Instrument“ der Entleitung. Dabei bezeichnet die Entleitung den Entzug von Personalverantwortung und von anderen Führungsaufgaben. Der Häuptling wird zum Krieger degradiert bzw. man setzt die „Führungskraft auf die Ersatzbank“. Auch wenn die Entleitung häufig schleichend und/oder mit verharmlosenden Schreiben des Arbeitgebers einsetzt und Wirkung entfaltet, ist sie Zeichen einer harten, auf bewusste Konfrontation ausgerichteten Personalpolitik. Die Entleitung dient der Degradierung verbunden mit dem Ziel der Demotivierung und damit einhergehend der Vorbereitung der Trennung, am besten im Wege der kostenschonenden Eigenkündigung der betroffenen Führungskraft. Mit dieser rigiden Personalführung und Exit-Strategie setzt der Arbeitgeber bewusst seinen Ruf als Dienstgeber aufs Spiel und kalkuliert zukünftige Rekrutierungsprobleme im „war for talents“ sowie eine nachhaltige Schädigung seiner mittel- und langfristigen Personalentwicklung ein. Es handelt sich deshalb bei objektiver Betrachtung um einen fragwürdigen Ansatz, der mit einem insbesondere von Loyalität und wechselseitiger Wertschätzung bestimmten Wertekanon nicht in Einklang zu bringen ist.

Die arbeitsrechtliche Blaupause und die anzutreffenden rechtlichen Handlungsmuster lassen sich kurz gefasst wie folgt umreißen: Mit dem Entzug von Personalverantwortung und von anderen Führungsaufgaben geht eine Absenkung und Streichung von Gehaltsbestandteilen und Leistungen (z.B. Entzug des Stellplatzes, Entzug des Dienst-KFZ, Absenkung der variablen Vergütung, Absenkung der Betriebsrente, u.a.) sowie ggf. eine Flut von zermürbenden Abmahnungen und hart geführten Personalgesprächen einher. Begleitend sind oftmals negative Leistungsbeurteilungen sowie ambitionierte Zielsetzungen (unrealistische, nicht erreichbare Ziele) mit negativer Auswirkung auf die variable Vergütung zu beobachten. Und oft wird die Entleitung – entsprechend dem angestrebten Grad und Schwere der Änderung der Arbeitsbedingungen – von Versetzungen und Änderungskündigungen flankiert.

Die im Zuge der Entleitung getroffenen Maßnahmenbündel und ihre vom Arbeitgeber propagierten Folgen stellen sich oftmals als rechtlich problematisch, vertragswidrig und rechtlich unwirksam dar, was ihrem praktischen Einsatz durch den Arbeitgeber keinen Abbruch tut. Denn die Entleitungsfalle besteht darin, dass sich der Arbeitnehmer aufgrund schön formulierter Schreiben des Arbeitgebers in trügerischer Sicherheit wiegt, es bleibe nach der Entleitung grundsätzlich Alles beim Alten. Es ändere sich nur die Stellenbezeichnung, während der Verantwortungs- und Aufgabenbereich fortbestehe. Stattdessen setzt ein schleichender Rechtsverlust durch konkludente und ggf. weitergehende schriftlich dokumentierte Hinnahme rechtswidriger Arbeitgebermaßnahmen ein. Wichtig auf Arbeitnehmerseite ist es, zu erkennen, dass Versetzungen durch den Arbeitgeber mit dem Ziel erfolgen, unter Umgehung zwingenden Kündigungsschutzes nach dem KSchG die Führungs- und Leitungsverantwortung des Arbeitnehmers abzubauen. Diese Zielsetzung wird mit dem Begriff Entleitung auf den Punkt gebracht.

Die praktische Erfahrung zeigt: Hat der Arbeitnehmer einen Rechtsverlust akzeptiert und sich in den schlechteren Strukturen eingelebt, fällt es ihm in der Regel schwer, verlorene Rechtspositionen zurückzugewinnen. Die Hoffnung, durch Kooperation mit dem Arbeitgeber wieder zum alten Zustand zurückzukehren und mit etwas zeitlichem Abstand werde es auf der Karriereleiter wieder aufwärts gehen, erweist sich als Trugschluss.

C. Merke: Es kann auch den Vorstand treffen und kämpfen kann sich lohnen!

Personalmaßnahmen können auch die oberste Leitungsebene der Vorstandsmitglieder treffen, wie der gerichtlich dokumentierte Fall des Ex-Personalvorstands der Commerzbank Ulrich Sieber nachdrücklich verdeutlicht, vgl. Manager Magazin 17.08.2015, LG Frankfurt a.M. 22.04.2014 – 3-05 O 8/14, nachgehend OLG Frankfurt a.M. 17.02.2015 – 5 U 111/14, hierzu Habersack, DB 2015, 730. Im Zuge des Abbaus von etwa 3.000 Stellen sollte auch der Vorstand der Commerzbank von neun auf sieben Mitglieder verkleinert werden. Bedauerlicherweise für den Dienstgeber haben sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. für Recht erkannt, dass die Abberufung von Herrn Sieber unter Berücksichtigung des durch die Bank vorgetragenen Lebenssachverhalts durch keinen wichtigen Grund im Sinne des § 84 III AktG gerechtfertigt sei, weil keine Unzumutbarkeit der Beibehaltung der bisherigen Zusammensetzung des Vorstandes bis zum Ende der Amtszeit zu erkennen sei. Allein, dass allgemein ein erheblicher Personalabbau und eine Verschlankung des Vorstandes sowie eine Umstrukturierung der Geschäftsfelder erfolgen solle, rechtfertige nicht die Abberufung des Klägers, vgl. LG Frankfurt a.M. 22.04.2014 – 3-05 O 8/14, nachgehend OLG Frankfurt a.M. 17.02.2015 – 5 U 111/14, Revision nicht zugelassen, NZB zurückgenommen. Entsprechend wurde der Widerruf der Bestellung von Herrn Sieber zum Vorstandsmitglied der Beklagten durch Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 06.11.2013 für unwirksam erklärt. In der Folge wurde das Dienstverhältnis einvernehmlich (durch Vergleich/Auflösungsvertrag) unter Kapitalisierung der Restlaufzeiten beendet, wodurch dem klagenden Vorstandsmitglied eine Millionen-Abfindung zufloss. Das führt einmal mehr zu dem Fazit: Kämpfen kann sich lohnen!

D. Praxishinweis:

Führungskräfte sollten niemals eine neue Funktion und Aufgabenzuweisung akzeptieren, wenn der Aufgabeninhalt und die Bezahlung unklar sind. Deshalb stellen eine aussagekräftige Tätigkeits- und Aufgabenbeschreibung sowie ein „Total-Income-Sheet“ ein unverzichtbares must have vor dem Antritt einer neuen Stelle dar. Projekttätigkeiten, die Führungskräften aus einer verantwortungsvollen operativen Tätigkeit angetragen werden, sind „Karrierekiller“. Man spricht insoweit von Management-Derailment, vgl. Christoph Abeln, ZEIT ONLINE 22.02.18, Wenn Führungskräften die Zwangsversetzung droht.

 Deshalb hat immer zeitnah eine sachliche Auseinandersetzung mit der Entleitung stattzufinden. Personalgespräche und E-Mail-Verkehr sowie deren Inhalte sind zu Beweiszwecken sorgfältig zu ordnen und zu dokumentieren. Der Arbeitgeber ist unter Fristsetzung umgehend zur schriftlichen Stellungnahme und zur rechtlichen Begründung der Maßnahmen aufzufordern. Vorsorglich ist ein schriftlicher Protest und Vorbehalt der gerichtlichen Prüfung des Arbeitnehmers gegenüber den angekündigten Maßnahmen des Arbeitgebers zu erklären und zu dokumentieren.

Ratsam ist unter taktischen Erwägungen eine zeitgleiche Inanspruchnahme fachanwaltlicher Beratung, die bei fehlender Einsicht auf Seiten des Arbeitgebers und Abhilfe durch ihn schnell in eine streitige und ggf. gerichtliche Rechtssicherung und -durchsetzung münden kann und Fehler vermeiden hilft. Denn nur durch dieses konsequente und gestufte Vorgehen kann einem Rechtsverlust auf Seiten des Arbeitnehmers wirksam entgegengesteuert werden.

Kategorie: Arbeitsrecht, Entleitung, Versetzung, Entzug von Leitungs- und Führungsaufgaben

Autor: Dr. Joachim Holthausen

Veröffentlicht: 13.05.2019

Letzte Änderung: 13.05.2019